Die Schneider der Köche

Eine Kochjacke von Ber-Bek gilt als der Mercedes unter den Kockjacken. Hochwertig, nach Maß, chic, langlebig und immer garantiert „made in Germany“. Doch wie und wo wird sie eigentlich hergestellt? chefs! hat Joachim & Andreas Gantert und ihre Mitarbeiter am Firmensitz und Produktionsstandort Wendisch-Waren besucht

So mancher Küchenchef wird sich wundern, wenn er in froher Erwartung das Paket mit seinen neuen Kochjacken von Ber-Bek öffnet und einen schnellen Blick auf den Absender wirft. Wendisch-Waren, wo liegt das denn? Ziemlich weit im Nordosten: Der 380-Seelen-Ort ist ein Ortsteil der Stadt Goldberg in Mecklenburg-Vorpommern. Gut eineinhalb Stunden sind es von hier bis nach Hamburg oder Berlin, und bis an die Ostseeküste fährt man knapp eine Stunde. Seit 1993 ist das Unternehmen hier ansässig. 1988 von Wolfram Gantert in Bönningstedt bei Hamburg gegründet, wird Ber-Bek heute von den beiden Brüdern Joachim und Andreas Gantert geführt. „Kochkleidung nach Maß made in Germany“ lautet das Erfolgsrezept des mittelständischen Familienbetriebs mit heute 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Kochjacke ist das Hauptprodukt, aber auch Kochhosen, Kittel, Küchenschürzen etc. sowie Bistro- und Kellnerschürzen für den Service werden am Firmenund Produktionssitz Wendisch-Waren von engagierten Modenäherinnen produziert. Die Mitarbeiter sind letztendlich auch der Grund, warum es die Ganterts nach Mecklenburg-Vorpommern verschlagen hat. Als das junge Unternehmen Anfang der 1990er aus allen Nähten platzte, entschieden sich die Unternehmer für die Verlagerung des Betriebsstandorts nach Osten. Insbesondere, weil es hier, im Osten, im Gegensatz zum Hamburger Umland bzw. anderen Regionen Deutschlands noch ausreichend Mitarbeiter/Innen aus dem Nähereibereich gab und gibt.

Susann G. ist eine von ihnen, eine junge Frau, die bei Ber-Bek gerade eine Ausbildung zur Modenäherin macht. Sie hat sich nach einem Schulpraktikum für den Beruf entschieden und liebt hier „eigentlich alles, aber insbesondere das Nähen“. Beste Voraussetzungen für eine berufliche Zukunft bei Ber-Bek. Bis auf ein preiswertes Einsteigermodell gibt es hier nichts von der Stange. Das Unternehmen fertigt grundsätzlich auftragsbezogen. Rund 50000 Namen enthält die Kundendatei, und darin sind nicht nur Name, Adresse und Betrieb hinterlegt, sondern soviele persönliche Daten wie möglich, um dem Kunden seine individuelle Kochjacke auf den Leib schneidern zu können. Konfektionsgröße, Körpergröße, Armlänge, tailliert oder nicht, extra lang geschnitten oder etwas mehr Weite im Schulterbereich – je mehr Daten und Infos die Kundendatei enthält, umso besser.

Viele der hinterlegten Daten haben die Brüder Gantert bei ihrem Erstkontakt mit dem Kunden persönlich aufgenommen. Manche Kunden wissen nicht einmal ihre Konfektionsgröße, wenn sie ihre neue Kochjacke bestellen, so groß ist das Vertrauen zu „ihren“ Schneidern. Andreas Gantert ist selbst gelernter Koch, jedoch seit 20 Jahren im Familienbetrieb und der Ber-Bek-Vertriebsreisende in West- und Süddeutschland, während sein Bruder Ost- und Mitteldeutschland betreut. „Im Grunde ist das Thema Kochkleidung zu komplex, um es einfach nur telefonisch abzuhandeln“, sagt Andreas Gantert. „Insbesondere, wenn ein größerer Auftrag ansteht und z.B. die Entscheidung für die neue Grundausstattung der gesamten Brigade getroffen werden muss, sind die Kunden meist damit überfordert, aus dem umfangreichen Angebot und den ergänzenden Optionen im Baukastensysten die richtige Jacke oder Hose samt der passenden Accessoires auszusuchen.“

Zwölf Jackenmodelle, jeweils als Herren- & Damen-Schnitt, bietet der aktuelle Ber-Bek-Katalog. Weitere zehn Modelle sind in der „Hinterhand“ und entweder bereits im Internet-Shop oder in Vorbereitung für den nächsten Katalog, so z.B. zwei Jacken mit Reißverschluss. Pro Schnittform sind „bis zu 5000 Varianten“ möglich, hat das Unternehmen ausgerechnet. Einige wenige Variationsmöglichkeiten verdeutlicht Joachim Gantert, gelernter Kaufmann, am Beispiel des Kochjackenmodells Rondo: „Reine Baumwolle oder Mischgewebe, weiß oder in einer von 46 Farben, farblich abgesetzte Kragen oder paspelierte Manschetten, eingesetzte oder aufgesetzte Brusttasche, Kugelschreibertasche mit/ohne Unterteilung, Logoeinstickung oder Name, wattierte Stoffknöpfe und, und, und…“. Wege zur neuen Kochjacke gibt es viele, die Anbieter in Deutschland sind zahlreich. Ber-Bek hat sich als der Ausstatter für alle Köche etabliert, die Wert auf Qualität, Tragekomfort und Langlebigkeit legen. „Der Koch trägt seine Berufskleidung viele Stunden am Tag, oft länger als seine Privatkleider, allein schon darum sollte er sie mit Sorgfalt wählen“, rät Andreas Gantert und ergänzt: „Auch bei Kundengesprächen muss der Küchenchef perfekt gekleidet sein. Das gelingt mit einer Kochjacke und -hose in Maßanfertigung besser als mit einer Lösung von der Stange.“

Damit die Qualität stimmt, setzten Joachim und Andreas Gantert auf qualifizierte Mitarbeiter und Motivation durch faire Bezahlung und angenehme Arbeitsbedingungen. „Im Schnitt braucht eine Näherin für eine Jacke eine Stunde, doch es gibt bei uns keine bestimmte Stückvorgabe, die sie am Tag erreichen muss“, betont Andreas Gantert. Es komme auf die Extras an. „Eine Paspelierung braucht Zeit, ein aufwändiger Schnitt braucht Zeit, ebenso wie verdeckte Knopfleisten oder Stickereien.“

Stoffe bezieht Ber-Bek von Webereien in Deutschland, die sie nach Öko-Tex Standard 100 für Schadstoffgeprüfte Textilien herstellen. Anhand der Kundendaten wird jeder Auftrag vom Zuschnitt entsprechend ausgelegt. Andreas Gantert: „Wir haben für jedes Modell einen Grundschnitt, den die Zuschneiderin anhand der Kundenkoordinaten entsprechend modifiziert.“ Die Zuschnitte gehen dann in die Abteilungen. Eine Jacke, bei der das Logo direkt in die Brust gestickt wird, kommt z.B. erst in die Näherei, dann in die Stickerei. Im Sinne der hohen Identifikation mit dem Produkt arbeiten maximal drei Näherinnen an einer Jacke. Arbeiten wie einfache Nähte, Paspelierungen, Ziernähte, das Einsetzen von Brusttaschen etc. erfordern jeweils unterschiedliche Nähmaschinen. Für jeden Auftrag ist nachvollziehbar, welche Näherinnen am Produkt mitgewirkt haben.

Joachim Gantert ist sich sicher: „Wenn wir günstige Massenware herstellen würden, etwa für den C&C-Markt, wäre die Produktion in Deutschland angesichts des hohen Lohnniveaus nicht mehr möglich. Doch weil wir eine Nische besetzen, funktioniert es.“ Wolfram Gantert prägte die Aussage „Billiger können andere immer.“ Joachim Gantert ergänzt: „Wir profilieren uns mit Qualität und Individualität, und genau das können in Deutschland nicht mehr viele.“

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Sabine Romeis

Erschienen in chefs!, Ausgabe September 2013

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